Diabetes? Frag die Zuckertante - Der Podcast für Menschen mit Typ 2 Diabetes

Diabetes? Frag die Zuckertante - Der Podcast für Menschen mit Typ 2 Diabetes

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Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer meines Podcasts: ich komme gerade von einer dreiwöchigen Arbeitsperiode aus Ottenschlag zurück, aus dem Reha-Zentrum, in dem ich jetzt 4 mal pro Jahr einen Turnus mit Menschen mit Stoffwechselstörungen bei der Reha begleiten darf. Ja als Hausärztin habe ich so viele Fragen zur Reha gehört: „Soll ich da überhaupt hinfahren? Was kann denn dabei schon passieren? Deshalb wird es ja doch nicht besser! Da muss man sich so viel bewegen…“ und und und.

Ich möchte ihnen heute ein paar Geschichten erzählen, über Menschen, die Tabletten nehmen, und Menschen, die Insulin spritzen, und was ich da in den letzten 3 Wochen erlebt habe.

Für die, die mich noch nicht so gut kennen: ich bin Doktor Susanne Pusarnig, Ärztin für Allgemeinmedizin. Ich begleite berate behandle Menschen mit Typ 2 Diabetes seit mehr als 25 Jahren - daran sehen Sie schon, dass ich durchaus schon im Pensionsalter bin aber es macht noch immer Spaß, es macht noch immer so viel Freude Menschen zu begegnen im Rahmen einer Ordination oder jetzt im Reha-Zentrum, zuzuhören, sich die Geschichte anzuhören, die Geschichte mit dem Diabetes anzuhören und zusammen mit diesen Menschen die für sie möglichst optimale Form der Behandlung zu finden. Sehr oft entsprechend den Guidelines, den Richtlinien die es international nun einmal gibt zur Behandlung des Diabetes, manchmal aber auch mit individuellen Lösungen weil Menschen eben sehr verschieden sind. Und ja, ich mache so jetzt mit in einem Rehazentrum, in einem Rehazentrum in dem weit über 100 Menschen immer als Teilnehmende sind und wo eine kleine Gruppe davon, nämlich 25 Menschen, in einer sogenannten Stoffwechsel-Reha sind. Stoffwechsel-Reha bei uns im Haus bedeutet Menschen mit Typ 2 Diabetes und oder mit Adipositas, Übergewicht in der ganz überwiegenden Mehrheit. Dafür ist das Haus auch bestens geeignet.

Ja was kann man sich jetzt unter so einer Reha vorstellen? Dazu mache ich vielleicht einmal eine eigene Folge aber stellen Sie es sich einfach so vor: zumindestens bei uns im Haus schönes Einzelzimmer, Balkon, Freibad, Hallenbad, Fitnessraum. OK soviel zur Hotelkomponente von dem Ganzen. Nebstbei ein sehr gutes Essen, wo wir alle die wir dort arbeiten auch dankbar sind, dass wir da mitessen dürfen. Viel Fisch, Gemüse, super toll gekocht, schöne gedeckte Tische mit Tischtuch. Essen wird serviert mittags und abends, morgens gibt es ein Frühstücksbuffet, ja das sind Teile die mir sehr gut gefallen.

Eine Reha in Österreich dauert 3 Wochen und bei dieser Stoffwechsel Reha kommen Sie eben zuerst an, werden untersucht zuerst ziemlich ausführlich bei den Schwestern, dann gibt es das erste Gespräch mit dem Arzt, mit der Ärztin, dann wird zum Beispiel festgelegt wie oft Sie bei den Schwestern erscheinen sollen um Ihren Blutzucker zu messen und vielleicht auch mit einem Arzt mit Ihrer Ärztin Ihre Zuckerwerte zu besprechen, das kommt darauf an welche Therapieform Sie machen.

Die ersten Tage werden wir uns mindestens 3 Zuckerwerte anschauen vor dem Frühstück vor dem Mittagessen vor dem Abendessen. Bei Menschen, die ihren Diabetes nur mit Diät oder mit einfachen Diabetesmedikamenten behandeln, kann das dann auch ein bisschen weniger werden, das wird individuell festgelegt. Zusätzlich hat jeder noch jeden Tag ein paar Termine, das kann Vorträge sein zum Thema Stoffwechsel, gesundes Leben, gesundes Essen, das sind sehr oft Bewegungseinheiten. Es gibt ganz viele Bewegungsgruppen in so einem Programm und es gibt ein paar physikalische Anwendungen, die sind aber in der Minderzahl. Viele Menschen, die sich in letzter Zeit wenig oder gar nicht bewegt haben, die vielleicht auch noch beträchtliches Übergewicht mit sich herum tragen, die haben oft Angst vor diesen Sporteinheiten. Und da gibt es ja seit Jänner ein neu zusammengestelltes Programm - das sind die Vorgaben von den Pensions-Versicherungen, die ja das Ganze bezahlen. Von daher gibt es auch für das Haus, für das Rehazentrum sehr sehr enge Vorgaben, was wir Menschen anbieten können und was eben nicht. Und da hat sich jetzt herausgestellt, dass es Gruppen gibt wo Bewegung gemacht wird, wo auch zum Beispiel Physiotherapie in der Gruppe gemacht wird, was völlig widersinnig klingt, weil: wir kennen ja alle Physiotherapie: man geht dann zu seinem Physiotherapeuten und arbeitet in einem 1 zu 1 Setting, einzeln mit dem an einem Problem. Aber diese Gruppenstunden haben einfach den Sinn, dass man einmal alle Gelenke von Kopf bis Zeh durch bewegt und auch lernt, wie man sich selber helfen kann, auch wie man dehnen kann ohne sich selber dabei weh zu tun zum Beispiel. Und in anderen Bewegungsgruppen, wo es durchaus dann auch um Kraft- und Ausdauertraining geht, da sind jetzt alle Fitnesslevels beieinander, das heißt in einer Gruppe gibt es Menschen, die sehr wenig Erfahrung mit Bewegung haben und die natürlich nicht viel leisten können, bis hin zu sehr ambitionierten Sportlern, die auch ihr Mountainbike mit dabeihaben und die jede freie Minute nutzen um noch zusätzlich Bewegung zu machen. Und gerade für die, die sich ganz schwer tun mit Bewegung, möchte ich sagen: niemand erwartet von Ihnen, dass Sie alles mithampeln was der Vorturner da vorne so vormacht. Es ist eine bewusste Entscheidung, alle Fitnessstufen in einem Kurs zu haben, denn auch später, wenn Sie vielleicht in einem Studio sind oder alleine vor dem Fernseher rumturnen, müssen Sie jeweils selber für sich schauen was tut Ihnen gut? Sie soll nie hineingehen in die Schmerzen, Sie sollen sich nicht überfordern. Die Trainer und Trainerinnen passen auf, passen an wenn Sie sich als Teilnehmer überfordert sind ist es wichtig, dass Sie das signalisieren oder sagen, damit wir ihnen helfen können. Und niemand ist dabei böse wenn Sie mal ein Päuschen machen, etwas nur ganz langsam oder in stark verringertem Umfang mitmachen, wie auch immer. Wichtig ist, dass Sie in Bewegung bleiben. Es gibt auch einiges an Freizeit und auch da ist es ganz verschieden: manche Teilnehmer sind von unserem Programm so fix und fertig, dass Sie die Zeiten dazwischen zum Ausruhen Balkonsitzen brauchen - andere empfinden eine unserer Trainingseinheiten gerade mal als nette Aufwärmrunde, schnappen sich dann ihr Fahrrad oder ihre Stöcke und ziehen los durch Wald und Flur. Das kann jeder machen wie er will. Es wird so viel wie möglich auf Einzelpersonen eingegangen.

Tja so viel mal zum groben Ablauf. Und ich habe diese Folge jetzt nicht vorbereitet, ich habe auch gar keine Zeit dafür gehabt, denn diese 3 Wochen sind intensiv und gerade in der letzten Woche mit den Abschlussgesprächen, mit den Briefen die diktiert werden müssen und so weiter man kommt ordentlich dran, also man arbeitet schon als Reha Arzt. Ja es ist nicht die ruhige Kugel, ganz und gar nicht. Ich habe auch einiges am Nachtdiensten hinter mir.

Also ungebremst, ungefiltert, so wie Sie es ja kennen von der Zuckertante jetzt ein paar beispielhafte Geschichten.

Und wie immer wenn ich Geschichten erzähle: seien Sie sich gewiss, dass ich die Details der Personen so verändere, dass die nicht erkennbar sind. Natürlich erzähle ich hier keine Patientengeschichten wo irgendjemanden erkennbar wäre, aber die Geschichten stimmen, es sind nur Details verändert - manchmal das Geschlecht, manchmal der Wohnort sodass aus einem Bayern ein Norddeutscher wird und umgekehrt, dass aus einem Stadtbewohner ein Almbauer wird was auch immer. Aber die Geschichten stimmen vom Ablauf her ja trotzdem. Nur zur Sicherheit damit Sie nicht glauben dass ich da jetzt tatsächlich Geschichten erzähle aus dem letzten Stoffwechselturnun, den ich begleiten durfte, es war übrigens mein Dritter in diesem Jahr. Ich bin einmal nach dort im Haus und das war es dann bis Weihnachten.

Also zu den Geschichten: die erste Geschichte ist eigentlich keine Geschichte sondern nur ein Bericht was uns immer immer wieder entgegen kommt und passiert. Da kommen Menschen, die irgendwelche Medikamente gegen erhöhte Blutzuckerwerte nehmen. Und wenn man die dann fragt: „Na wie lange nehmen Sie es denn?“, dann ist oft die Antwort: „Naja das habe ich bekommen ziemlich bald nach der Diagnose des Diabetes, da waren die Werte noch sehr hoch!“ Und dann schauen wir uns zusammen mit diesen Menschen ihre Zuckerwerte in den ersten Tagen an wenn sie bei uns sind und sehr oft sehen wir dann ideale Blutzuckerwerte! Jetzt ist ja Folgendes: Sie haben sicherlich schon gehört wenn Sie schon länger bei der Zuckertante sind, dass wir alle, Ärztinnen und Ärzte bevorzugt natürlich diese Diabetestabletten verwenden, die keine Unterzuckerungen auslösen.

Also Diabetes Tabletten, die in diesen ganzen Kreislauf Zelle, Andock-Stelle, Rezeptor, Insulin irgendwo anders angreifen, zum Beispiel Medikamente, die bewirken dass die Leber nicht allzu viel Speicherzucker aufbaut, Medikamente, die bewirken, dass der Zucker langsamer vom Darm ins Blut kommt, und von daher es der Bauchspeicheldrüse leichter macht mit dem Zuckeranstieg umzugehen, Medikamente die an der Niere angreifen und bewirken, dass bei höheren Zuckerwerten mehr Zucker mit dem Hahn ausgeschieden wird und und und… da gibt es viele Tricks. Also wir geben sehr sehr gerne Medikamente, die nicht direkt auf die Bauchspeicheldrüse wirken, die nicht direkt die Insulinmengen im Blut erhöhen und die daher keine Unterzuckerung auslösen können. Und das ist ja fein, wir sind nur allzu glücklich, dass wir diese Medikamente haben. Ich komm noch aus der Zeit, wo es die alle nicht gab und wo alles viel viel schwieriger war. Andererseits, wenn jemand immer weiter weiter weiter seine Diabetes Medikamente nimmt und die Zuckerwerte sind gut und Langzeitwert bei den Laborkontrollen beim Hausarzt ist gut: dann wird manchmal übersehen, dass man vielleicht versuchen könnte, das eine oder andere abzusetzen oder zumindest zu reduzieren. Und dafür ist so ein Reha Aufenthalt natürlich ideal: 3 Wochen 3 Wochen lang Zeit auch einmal sich was zu trauen und was auszuprobieren. Noch dazu sind die Menschen da ja in einer Umgebung wo es Diabetes gerechtes Essen gibt, viel Fisch viel Gemüse - wenn Sie keinen Fisch mögen oder vertragen kriegen Sie irgendwas anderes - ein Essen das den Zucker nicht allzu hoch ansteigen lässt, dazu recht viel Bewegung und dazu noch dieser ganze Entspannungseffekt, die wunderschöne Landschaft auch dass man draußen ist, dass man weit weg ist vom Beruf, von zu Hause ,von möglichen Problemen. Das heißt, diese 3 Faktoren, die ich immer so bewerbe, dass man sich um alle 3 kümmern soll, Essen Bewegung Stress, die werden in so einer Rehazeit ganz automatisch alle bedient sozusagen, alle verbessert. Sie haben als Teilnehmer, als Teilnehmerin Zeit zur Entspannung, Sie können jetzt im Sommer bei dem schönen Wetter am Pool liegen im Pool herum planschen in den vielen Pausen und am Wochenende, Sie machen mehr Bewegung und es gibt gescheites Essen. Und das ist natürlich die ideale Situation wo man gut Tabletten reduzieren kann, weil alle anderen Faktoren passen und es dem Körper so leichter fällt, ohne die Stütze des Medikaments zurecht zu kommen und sich auch daran zu gewöhnen, dass es diese Unterstützung nicht mehr gibt. Also so eine Reha Zeit ist ideal um zu versuchen von Diabetes Medikamenten loszukommen. Da ist für uns dann oft die Frage: welches Medikament setzen wir denn ab? Und da ja moderne blutzuckersenkende Medikamente alle mehr tun als nur den Blutzucker zu senken, muss man da vor allem ganz genau auf den Wirkmechanismus schauen. Es gibt ja Medikamente, die über die Diabeteswirkung hinaus zum Beispiel einen Schutz bieten, dass Menschen, die diese Medikamente nehmen ,weniger Herzinfarkte bekommen, weniger Probleme mit der Durchblutung des Herzmuskels. Andere Medikamente, die bewirken, dass eine eventuelle Herzschwäche langsamer weitergeht oder sich sogar verbessert, oder auch sich die Nierenfunktion verbessert. Und wenn jetzt jemand mit einer Handvoll Medikamente kommt und natürlich gern 1 oder das andere loswerden möchte, dann muss man sich anschauen, welche Medikamente nimmt dieser Mensch, und welche positiven Nebenwirkungen sind für ihn besonders günstig. Und wenn es da ein Medikament gibt, das dieser Mensch aus mehr als einem Grund nimmt, dann wird man dieses Medikament eher drinnen lassen in der Therapie. Zum Beispiel wenn jemand schon eine leichte Herzschwäche hat, dann wird man ihm nicht genau das Diabetes Medikament absetzen, das zusätzlich verbessernd auf Herzschwäche wirkt. Das muss man sich also jeweils individuell anschauen und auf so einer Reha ist halt auch Zeit das bei einem dazwischen Gespräche mit den Patienten zu besprechen und zu erklären warum man das eine tut und nicht das andere. Und schön ist halt, dass man diese 3 Wochen Zeit hat. Wissen Sie, ich betreue jetzt Diabetiker seit fast 30 Jahren und es gibt immer wieder Überraschungen. Natürlich habe ich viel Erfahrung und natürlich erwarte ich gewisse Auswirkungen auf den Zucker, wenn ich ein Medikament dazu gebe oder auch wegnehme und oft stimmt es auch, manchmal aber nicht und das macht es ja so spannend: es gibt so wahnsinnig viele Einflussfaktoren auf den Blutzucker, bei weitem nicht nur Essen Bewegung Stresshormone, da gibt es noch viel viel mehr und Menschen sind eben ganz ganz verschieden. Wir wissen zum Beispiel, dass das Mikrobiom im Darm eine riesengroße Rolle spielt, aber das ist ein uferloses Thema. Also es kommt sowohl in der Praxis vor als natürlich auch in der Reha, dass unvorhergesehene Dinge passieren, dass man bei einer schönen stabilen Einstellung mit allen Werten im Zielbereich mit dem Patienten bespricht, dass man ein Medikament rausnimmt und man den Patienten sagt: „Wir würden erwarten, dass sich Ihre Zuckerwerte gar nicht ändern, dass es ohne dieses Medikament genauso gut auch geht!“ In den meisten Fällen wird das stimmen. Und dann gibt es die eine Patientin, den einen Patienten wo man eine Minitablette wegnimmt, von der man sich denkt, die braucht er sicher nicht mehr - und zack gehen die Zuckerwerte wieder hoch! Na gut, dann wird man mit der Patientin mit dem Patienten noch einmal reden, sich entschuldigen. Das endet meistens im beiderseitigen Gelächter und er oder sie nimmt halt seine Tablette wieder und hat 2,3 Tage erhöhte Werte gehabt und alles ist wieder gut. Für solche Versuche ist eine Umgebung, wo Bewegung Stress und Essen halbwegs gleich sind von Tag zu Tag oder wenn Sie so wollen Bewegungen Entspannung essen in etwa gleich sind von Tag zu Tag, da kann man natürlich kann man natürlich den Einfluss eines speziellen Medikaments auf den Zucker viel besser beobachten als in einem quirligen Leben, wo tagtäglich alle diese Bedingungen sich dauernd ändern. Also für solche Versuche ist eine Reha einfach ideal. Trotzdem kann es eben sein dass man empfiehlt ein Medikament weiterhin zu nehmen, vielleicht gar nicht mehr so sehr für den Diabetes aber eben wegen einer eventuellen Nieren- oder Herzschwäche, nur so als Beispiel. Also auch dieses Arbeiten mit den Medikamenten, mit den Tabletten, was so einfach ausschaut, da ist schon einiges an Überlegungen im Hintergrund dabei und es ist nicht so „Holodiro, nehmen wir mal das weg, schauen wir mal was passiert!“ sondern wir machen schon überlegt. Trotzdem kann es Überraschungen geben und wir alle lernen daraus.

Das war einmal Punkt 1, die Sache mit den Tabletten.

Viele Teilnehmer von einer Reha haben das schon erlebt dass sie mit weniger Medikamenten heimfahren als hingefahren sind.

was kann sich tun am Sektor Insulintherapie? Da gab es diesmal auch ein Beispiel, ein Herr, paar Jahre noch zu bis zur Pension und er arbeitet bei einer kleinen Gemeinde in einer sehr bergigen Gegend von Österreich, im Westen, hohe Berge, kein Meter ebene Straße in seiner Gemeinde. Und er macht seinen Job sehr sehr gerne und der Job ist sehr vielfältig: jede Menge Schneeschaufeln im Winter, zum Beispiel bei kleinen Wegen zu einer Kapelle zu einer Kirche rauf wo kein Gerät fahren kann, Schneeschaufeln ,Salz streuen Grünanlagen anlegen, pflegen, Unkraut rupfen und auch oft mithelfen bei Veranstaltungen in einem ganz besonderen Veranstaltungsaal, in einem alten Gemäuer, wobei dieser Saal, die Location natürlich nach Veranstaltungen auch wieder in Schuss gebracht werden muss, aufgeräumt werden muss, Geschirr in den professionellen Geschirrspüler gesteckt werden muss, einfach geputzt werden muss. Es war faszinierend, wie begeistert der Typ von seiner Arbeit erzählt hat, Und er hat einen Insulinpflichtigen Diabetes und hat den Diabetes bis jetzt behandelt mit einem Langzeit Insulin einmal täglich und dazu hat er eine Tabelle gehabt, schnelles Insulin vor dem Essen von dem Frühstück vor dem Mittagessen vor dem Abendessen wenn der Zucker über 200 ist 4 Einheiten wenn er das 300 ist 6 Einheiten wenn über 100 ist 3,5 – irgendwie. Also eine Tabelle, die sich ausschließlich macht im Zucker vor dem Essen gerichtet hat, und es hat halt überhaupt nicht funktioniert was auch kein Wunder ist. Denn wenn man schnelles Insulin vor dem Frühstück spritzt dann braucht man ja unterschiedlich viel erstens je nachdem wieviel Frühstück und welches Frühstück man isst, was da drin ist, und natürlich hängt es auch davon ab was dann am Vormittag passiert ob er irgendwo Schreibarbeiten machen muss oder ob er unterwegs ist und sich körperlich verausgabt. Und so ist es eben dazu gekommen, dass er wenn er vom Frühstück schnelles Insulin gespritzt hat, sehr oft Unterzuckerungen gehabt hat oder hohe Werte, die er sich nicht erklären konnte. Und er hat sich dann so damit beholfen, dass er versucht hat so wenig Kohlenhydrate wie nur möglich zu essen, zum Frühstück zum Beispiel kalte Brühwurst kalte Frankfurter mit Kaffee nix dazu – nebst bei im Frankfurter ist kein Mehl - er hat sich extrem eingeschränkt, weil er gute Zuckerwerte haben wollte aber nicht wusste, wie er das bewerkstelligen kann. Und was sind natürlich mit Recht genervt hat, war diese Situation mit nach einer Veranstaltung die Arbeit. Sie müssen sich das so vorstellen: eine Veranstaltung ist zu Ende, entweder noch am Abend oder halt am nächsten Tag Vormittag wird zusammen geräumt, geputzt, alles wieder sauber und schön gemacht. Und irgendwann ist halt die ganze Mannschaft fertig mit der Arbeit und sehr oft ist es ja so, dass nach so einer Veranstaltung etwas zum Essen überbleibt, schöne wunderbare Brötchen, tolle Mehlspeisen, was auch immer… und unser Patient hat dann genau 2 Möglichkeiten gehabt: entweder wieder einmal bei Cola light und Mineralwasser dabei zu sitzen und allen anderen zuzuschauen und schrecklich Hunger zu haben weil er ja gerade schwer gearbeitet hat oder halt wie er gesagt hat „der Sünde nachzugeben“ und das Zeug zu essen und nachher wirklich absurd hohe Zuckerwerte zu bekommen, die sein Zuckermessgerät teilweise gar nicht messen konnte. Mit diesem Herrn haben wir besprochen, dass es ja auch möglich ist, das schnelle Insulin ganz fein abzustimmen auf das was man gerade isst und dass man lernen kann, wie man das handhabt, dass man weniger Insulin spritzt, wenn man weiß man wird die nächste Stunden mehr arbeiten und wie man das machen kann, dass man wenn die körperliche Arbeit überraschend daherkommt, dass man Kohlenhydrate dazu isst auch während der Belastung, in welchen Abständen und wieviel. Sprich wir haben ihm die Prinzipien einer intensivierten Insulintherapie nahegebracht und ich war ganz überrascht wie eifrig und interessiert er sofort mit unseren Diätologinnen gelernt hat, wieviel Gramm Kohlenhydrate in welchem Essen drinnen sind. Er hat diese Tabellen mit den Kohlenhydrateinheiten im Nu auswendig gekannt. Ich habe ihn einmal beim Mittagessen beobachtet und habe mich unglaublich gefreut: denn es ist so im Haus ist beim Frühstück Frühstücksbuffet, und natürlich sind alle Brotkörbchen und bei jedem Müsli, überall stehen Tafeln dabei wieviel Gramm eine KE sind. Und dann steht halt an einem extra Tischchen stehen ein paar Waagen und man kann sich alles rauswiegen, damit man genau weiß wieviel Kohlenhydrate man im Frühstück hat. Und dieses Tischchen mit den Waagen steht halt einsam und verlassen im Eck auch während des Mittagessens und Abendessens wo das Essen serviert wird. Und ich war dann ganz überrascht zu sehen, dass dieser Patient in Richtung Küche gestapft ist und von meinem Platz aus ihn beobachtet - ich misch mich nicht ein was Menschen essen, das ist ihre Freizeit und da werde ich sicher nicht meckern, aber es hat mich halt interessiert, was macht er jetzt ,was holt er sich? Wissen Sie, was er sich geholt hat? Einen kleinen leeren Teller, mit dem ist er zurück zu seinen Platz, hat den Teller mit seinem Mittagessen geschnappt, ist mit den beiden Tellern zu diesem kleinen Tischchen, hat den kleinen Teller auf die Waage gestellt, die Waage auf 0 gestellt und auf den kleinen Teller das Erdäpfel – äh, die gerösteten Erdäpfeln drauf geschaufelt, die er zum Mittagessen bekommen hat und hat ganz genau geschaut wieviel Gramm sind das? Hat es 2 dreimal hin und her geschaufelt und hat sichtlich geübt: wieviel Kartoffeln von diesem gerösteten Kartoffeln, also Bratkartoffeln, wieviel sind 1 KE, 2 KE 3 KE? Sensationell. Und das hat er immer wieder gemacht und ich denk mir - der war nämlich eigentlich in einer Diabetesambulanz und ich denke mir, dass man ihm dort nicht zugetraut hat diese Therapieform zu lernen. Er ist sehr insulinempfindlich und wir sind dann gelandet bei so Dingen wie zu Mittag brauchen Sie 0,7 Einheiten Insulin für 10 Gramm Kohlenhydrate und ich war total überrascht: dieser Typ konnte wesentlich besser Kopfrechnen als die meisten anderen, die schon mit intensivierten Insulintherapie gekommen sind, einfach weil er Kopfrechnen die ganze Zeit in seinem Beruf gebraucht hat. Er hat mir dann noch mal die Verpackung von einer Schokolade gezeigt, weil ich ihn in der letzten Woche ermuntert habe auch einmal Dinge außerhalb von unserem Essen auszuprobieren, das waren 66 Gramm Schokolade. Auf der Schokolade war die Inhaltsangabe für 100 Gramm drauf, dann hat er noch berücksichtigt, wie hoch der Zucker davor war, und wieviel Bewegung er nach der Schoki machen will und hat sich auf eine halbe Einheit genau ausgerechnet wieviel Insulin er braucht, und das war für ihn überhaupt kein Problem! Solche Rechnungen hat der rausgeschossen im Tempo eines Taschenrechners. Es war absolut cool. Ist mal schön zu beobachten wie dieser Herr schon in der zweiten Woche lockerer, fröhlicher wurde und dann eigentlich nur mehr lächelnd durch die Gegend gegangen ist, weil er gewusst hat sein Leben wird jetzt so viel leichter. Natürlich, er wird zurückkommen in seine Routine, er wird vieles wieder so machen wie vorher, Dinge von denen er weiß, dass sie funktionieren und wie sie funktionieren, aber er hat jetzt das Wissen und die Möglichkeit auch einmal etwas extra dazu zu essen, sich mit Kollegen zusammenzusetzen. Das war eine unglaublich schöne und berührende und positive Geschichte.

Ganz zum Schluss noch eine Dame, die ja UA SWE engsten Umgebung gekommen ist; die mit Landwirtschaft zu tun gehabt hat und die eine völlig absurde Insulintherapie gehabt hat und ich möchte jetzt keinen der Kollegen da draußen einen Vorwurf machen; solche Dinge passieren einfach; wenn mehrere Fachärzte dran sind und wenn man leider Gottes Patienten hat, die alles machen was die Ärzte ihnen sagen. Jedenfalls diese arme Dame ist daher gekommen mit einem Langzeit Insulin fast 40 Einheiten abends, das wäre noch nicht so schlimm, aber bei Typ 2 Diabetes dann noch dreimal vor den Hauptmahlzeiten ein Misch-Insulin, wo wieder ein Langzeitinsulin zu 75% drinnen war, und 25% eines schnell wirksamen Insulins, insgesamt über 90 Einheiten. Eine absurde Insulintherapie, weil sie sich ja letztlich viermal täglich Langzeitinsulin gespritzt hat, wo die einzelnen Kurven sich überlagert haben und was zu ziemlich unvorhersehbar Zuckerwerten, hohen Werten und auch Hypos geführt hat. Na ja bei ihr war das eigentlich ganz einfach, ich hab zuerst einmal ein bisschen Insulin reduziert, dann ein paar Tage lang aufgeteilt auf schnelles und langsames Insulin solo, um einmal zu schauen wieviel sie überhaupt braucht, da sind wir dann bei unter 40 Einheiten, also weniger als die Hälfte gelandet und dann habe ich mit ihr besprochen wie sei es denn gern hätte und diese Dame hat gesagt: „Nein nein nein!“ also sie schafft das nicht, sie will ganz sicher nicht jetzt lernen wie viel Kohlenhydrate in welchem Essen sind! Und wir sind dann draufgekommen, das musste auch gar nicht sein, denn sie hat mit großer Freude ein sehr regelmäßiges Leben gelebt mit jedem Tag dasselbe Frühstück, eigentlich auch immer dieselben Abendessen, und österreichische Hausmannskost zum Mittagessen. Und jetzt haben wir mit ihr nur ein bisschen drüber geredet was eine vernünftige Menge Beilagen beim Mittagessen ist, wie sie mit Obst umgehen soll, mit Kuchen, und sie hat sich dafür entschlossen jetzt nur mehr zweimal am Tag zu spritzen, worüber sie sehr glücklich war, weil vorher hat es ja 4 mal gespritzt, wir sind beim Mischinsulin geblieben und sie spritzt Misch-Insulin einmal vorm Frühstück, einmal vorm Abendessen und ja natürlich, wenn sie mal am Nachmittag ein Stück Kuchen erwischt, wird der Zucker vor dem Abendessen höher sein, da hat sie jetzt eine kleine Tabelle dass sie dann etwas mehr vom misch-Insulin spritzt, aber vorsichtig, weil wir auch gesehen haben, dass sich auch nach Ausrutschern bei ihr die Zuckerwerte eigentlich recht schnell wieder einpendeln. Sie ist auch in einem Alter wo es sehr wichtig ist, dass sie keine Unterzuckerungen hat wegen des Risikos, dass sie stürzt und sich ernstlich verletzt und wo eine ganz ideale Zuckereinstellung gar nicht mehr das Ziel ist ,sondern wo wir einen Langzeitwert, ein HbA1c rund um die 7,5 anstreben und dies bekommt sie locker hin mit dieser Art einer sehr einfache Insulintherapie.

Sehen Sie, das macht das Arbeiten auf so einer Reha so schön, dass man individuell auf Menschen eingehen kann und dass man eben Zeit genug hat, Schritt für Schritt Dinge auszuprobieren und dann draufzukommen, was könnte denn das Beste sein. Natürlich hat dann jeder, der von uns weggeht die Sorge, ja wie wird denn das Zuhause dann weitergehen? Und ich versteh das gut, denn zuhause stellt einem niemand das Frühstücksbuffet ich hin mit jedem Tag einem frischen gesunden Aufstrich und aufgeschnittenen Paprika Radieschen Gurken und 5 Sorten tolles gesundes Brot und frisch geschnittener Obstsalat, niemand stellt einem zu Mittag das Salatbuffet hin und die 2 Suppen zum Aussuchen usw usw - natürlich ist zu Hause einiges anders aber auch das wird dann beim Abschlussgespräch besprochen, wie es zu Hause weitergehen kann. Und ich hab ja auch die Erfahrung aus vielen vielen Jahren als Allgemeinmedizinerin ,wie das ist wenn Menschen aus einer Reha zurück zurückkommen, mir war immer wichtig, schon bevor die Leute auf Reha fahren, dass wir uns einen Termin ausmachen zirka 14 Tage nach der Rückkehr nach Hause ,denn da muss man die Leute dann als Hausärztin auffangen, weil die oft sehr betrübt und entsetzt sind, weil die Zuckerwerte halt zu Hause nicht mehr so gut sind wie auf der Reha und bevor dann die Flinte ins Korn geworfen wird, ist es wichtig, dass man sich das genau anschaut mit der Patientin, mit dem Patienten und da muss man dann Mittelwege finden. Das kann man aber auch schon auf der Reha mit dem Patienten besprechen. Niemand kann erwarten, dass die Zuckerwerte zu Hause so optimal sein werden wie in der Reha, aber wir möchten nicht, dass die Leute wieder bei ihrem schlechten Ergebnissen, schlechten Therapien von vor der REHA landen. Das Ziel wäre einen vernünftigen Mittelweg zu finden, nicht ganz so wenig Medikamente, nicht ganz so wenig Insulin wie bei der Entlassung, aber nicht so chaotische Zuckerwerte wie sie bei manchen bestanden haben bevor sie auf REHA gefahren sind.

So das war ein kleiner Einblick in den Alltag einer Stoffwechsel Reha Ärztin, ich hoffe es hat Sie ein bisschen interessiert die Zuckertante grüßt und wünscht allzeit gute Werte.

Über diesen Podcast

Was genau sagt der HbA1c-Wert? Darf ich zu Weihnachten auch mal ein Plätzchen
mehr essen? Wie wirkt sich Stress aus auf meine Zuckerwerte? Was mache ich bei Überzucker und Unterzucker?

Im Podcast der Zuckertante gibt es Geschichten und viele Informationen für Neulinge und auch für die erfahrenen Diabetiker ist immer etwas dabei

Mein Name ist Dr. Susanne Pusarnig, ich bin Ärztin für Allgemeinmedizin und im Internet "die Zuckertante". Ich begleite, berate und betreue Menschen mit Typ 2 Diabetes seit über 25 Jahren. Übers Internet und hier im Podcast kann ich viele Menschen erreichen, Angst vor Diabetes nehmen und alles was man als Diabetiker wissen sollte, verständnisvoll und humorvoll weitergeben..
Dieser Podcast ersetzt keinen Arztbesuch und dient rein zur Information und Aufklärung.

Noch viel mehr Informationen finden Sie auf meiner Webseite
www.zuckertante.at

von und mit Dr. Susanne Pusarnig

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