00:00:00: Ich habe noch gar nicht Diabetes, aber... So haben mehrere Mails diese Woche angefangen und ich war wirklich verwundert, weil ich habe deutlich mehr Anfragen bekommen zum Thema Prä-Diabetes als zum Thema Diabetes. Und Diabetes ist ja eigentlich das Thema der Zuckertante. Aber ja klar ist man auch beunruhigt wenn eine Ärztin oder ein Arzt sagt, Oh je, Sie haben Prädiabetes. Und die Frage, die da am häufigsten gestellt wird, ist, soll ich schon ein Medikament nehmen, soll ich schon Metformin nehmen? Und das schauen wir uns heute genauer an.
Herzlich willkommen im Podcast der Zuckertante. Mein Name ist Dr. Pusarnig und ich bespreche mit Ihnen heute diese Frage. Ich arbeite jetzt länger als 25 Jahre mit Menschen mit Diabetes und: vor 15, 20 Jahren hätte ich mir nie gedacht, dass das Interesse an Diabetes so groß ist und ich hätte auch nicht mehr gedacht, dass Menschen so schlimm beunruhigt sind, wenn sie nur die Vorstufe von Diabetes haben, wenn sie nur im Risikobereich sind, aber noch gar nicht krank sind. Das ist eine Entwicklung, die in letzter Zeit stattgefunden hat und die, wie ich denke, nicht nur positiv ist. Wir werden uns heute miteinander anschauen, erstens was ist dieser Prädiabetes überhaupt, was bedeutet dieses Wort für Sie persönlich, wenn Sie betroffen sind? Dann als zweites eben zu der Frage, soll ich schon ein Medikament nehmen, das Metformin Was sagen die internationalen gültigen Leitlinien dazu, was sagt die Wissenschaft, was sagen die Studien dazu.
Und in einem: dritten Schritt kann es Situationen geben, wo man es trotzdem anders macht. Wo Ärztin oder Arzt in ihrem eigenen persönlichen Interesse im Interessen von Ihnen als Patientin oder Patient, sich dann entscheiden, anders vorzugehen als es die Studien und die Leitlinien eigentlich vorgeben. Und an diesem Beispiel kann man recht gut zeigen, wie solche Entscheidungsprozesse in einer Arztpraxis ablaufen und dass es eben nicht so einfach ist, nur irgendwelchen Laufzetteln oder Behandlungspfaden zu folgen Sondern dass es wirklich immer einzelne Entscheidungen für den jeweiligen Menschen sind.
Aber zurück zum Thema. Was ist Prädiabetes? Erste und wichtigste Botschaft, und ich werde nie müde werden, das zu wiederholen. Prädiabetes ist keine Krankheit.: Punkt. Prädiabetes ist keine Krankheit. Punkt. Denn im Moment wird es vor allem auch auf manchen Homepages und teilweise auch auf Facebook und anderen Social Media so dargestellt, als ob die Diagnose Prädiabetes die purste Katastrophe wäre. Und das ist es nun einmal nicht. Die Definition von Diabetes ist ganz klar. Zwei Laborwerte müssen über den Grenzen sein, entweder ein nüchtern Zucker über 126 Oder ein Zucker irgendwann im Tag, wenn man nicht mehr nüchtern ist, über 200. Oder ein Langzeitwert der Hb1c über 6,5. That's it. Nur wenn zwei von diesen Werten erhöht sind, hat man die Diagnose Diabetes.
Wobei es ist egal, welche Werte das sind. Es können zwei Nüchternzucker sein, mit: Labor-Methoden gemessen bitteschön nicht mit den kleinen Testgeräten in der Arztpraxis, die dienen nur als Anhaltspunkt bei der Diagnose. Oder, das ist das Häufigste bei uns in unseren Breiten, ein Nüchternzucker und ein Hb1c. Unterhalb von diesen Werten gibt es einen Graubereich einen Risikobereich Einen Bereich, wo wir wissen, dass der Zuckerstoffwechsel nicht mehr ganz in Ordnung ist, aber eben noch nicht krankhaft verändert wie bei Diabetes. Und diesen Bereich nennt man den Prä-Diabetes. Langzeitwert ab 5,9, Nüchternzucker ab 100 bis 125, Langzeitwert 5,9 bis 6,4.
Wenn Sie Werte in diesem Bereich haben, dann wird Ihnen Ihre Ärztin oder Ihr Arzt wahrscheinlich die Diagnose Prädiabetes sagen. Und bitte, Sie sind dann: nicht krank. Das ist nur ein Risikobereich und wir wissen, dass Menschen, deren Zuckerwerte in diesem Bereich liegen, etwas häufiger Diabetiker werden. Auch das zum Einordnen, ca. 8% der Bevölkerung haben Typ 2 Diabetes, das heißt so ungefähr jeder 12. oder 13. wird Typ 2 Diabetes bekommen. Und wenn man die Werte bereits im Risikobereich hat, dann ist es ein bisschen häufiger. Wie viel häufiger da gibt es widerstreitende Zahlen, das ist nämlich gar nicht so leicht herauszufinden, weil da müsste man bevölkerungsweit sehr, sehr viele Menschen testen Also als erstens Prädiabetes ist keine Krankheit.
Das führt zur Frage Nummer 2, soll ich ein Medikament nehmen? Die Vorschriften sind da ganz klar. Es gibt kein Medikament, das für Prädiabetes zugelassen ist. Punkt. Es gibt kein Medikament, das zugelassen ist für: Prädiabetes. Medikamente werden zugelassen für Krankheiten, Prädiabetes ist keine Krankheit. Metformin ist ganz, ganz häufig das erste Medikament bei Diabetes, aber eben erst, wenn man in dem Krankheitsbereich ist. Jetzt erhebt sich natürlich die Frage, naja, ich will ja keinen Diabetes kriegen, wäre es dann nicht schlau schon vorbeugend Metformin zu nehmen? Und natürlich sind auch schon Ärzte auf diese schlaue Idee gekommen, schon seit vielen, vielen Jahren.
Und immer wieder hat man versucht, das herauszufinden da gibt es mehrere Studien dazu, aber leider, die Ergebnisse sind nicht so klar, wie wir uns das erhoffen. Denn wenn Metformin was bewirkt beim Prädiabetes, dann müsste es ja so sein, dass Menschen, die Prädiabetes haben und Metformin nehmen, seltener Diabetes bekommen als Menschen, die Prädiabetes haben und kein Metformin: nehmen. Und das lässt sich eben nicht wirklich zeigen. Es gibt ein paar Studien, da schaut es so aus, als ob es ein bisschen weniger wäre, dass Diabetes entsteht. Es gibt Studien die darauf hindeuten, dass manche Menschen, wenn sie Metformin nehmen oder eine kleine Gruppe von Menschen dann den Diabetes ein bisschen später bekommt. Aber so wirklich harte Daten sind das nicht. Wir Ärztinnen und Ärzte scheuen davor zurück, Menschen Medikamente zu geben, die gar nicht krank sind. Denn es ist ja so, bei jedem Medikament geht es ja auch darum, abzuwägen, was sind die Vorteile was sind die Nachteile. Unter Nachteil fällt natürlich vor allem Nebenwirkungen.
Wenn ich jetzt einem Menschen, der noch keine Krankheit hat, mir überlege ein Medikament zu geben, dann muss das noch viel, viel sicherer sein,: als wenn Sie krank sind. Wenn wir da jetzt ein extremes Beispiel hernehmen, dann wird das klarer. Angenommen, ein Mensch hat eine ganz ganz seltene Krebskrankheit, die ganz selten auftritt und von der man weiß, dass sie, wenn man es nicht behandelt, innerhalb von einem halben Jahr zum Tod führt. Und nehmen wir an, dass gerade ein neues Medikament entwickelt wird, dass aber die Studien noch nicht abgeschlossen sind, dass man nicht weiß, ob es Spätschäden gibt, ob es schwere Nebenwirkungen gibt, wo vielleicht sogar Hinweise darauf sind, dass manche Menschen wenn sie dieses Medikament nehmen, wirklich unangenehme Nebenwirkungen bekommen.
Wenn wir jetzt diesen Menschen in seiner aussichtslosen Situation die Geschichte erklären und sagen, Hören Sie zu, wir haben hier etwas Neues, wir kennen es noch nicht sehr gut, wir können das Risiko von Nebenwirkungen nicht abschätzen, aber Ihre Chance, den Krebs zu: überwinden, steigt damit. Dann wären die meisten Menschen und auch die Ärzte eher geneigt in der Extremsituation auch ein potenziell gefährliches Medikament zu geben. Weil einfach die Chance so wichtig ist in einer aussichtslosen Situation. Ich glaube, das ist uns allen klar und das ist in sich auch logisch. Natürlich, je mehr man in den Bereich der Gesundheit kommt, desto vorsichtiger muss man sein. Denn wenn ein Medikament kaum einen Nutzen bringt, dann muss man umso mehr darauf schauen, dass man den Menschen nicht schadet Wenn ein Medikament kaum nutzt dann sind auch seltene Nebenwirkungen ein Grund, es nicht zu geben, weil wir Menschen nicht schaden möchten.
Das ist einmal die reine Logik. Dazu kommt noch das Psychologische. Wenn ich jeden Tag Medikamente schlucken muss, fühle ich mich krank und das macht was mit Menschen. Noch dazu ist dieses: Metformin so elend groß, das sind große, unangenehme Tabletten Das sind also alles Gründe, die dagegen sprechen, dass man Metformin bei Prädiabetes gibt. Erstens eigentlich dürfen das Ärzte nicht tun, weil kein Medikament die Zulassung hat bei Prädiabetes, auch das Metformin nicht. Und zweitens aus der Überlegung heraus, da ist jemand nur in einem Risiko der oder die ist noch nicht krank Jedes Medikament bringt auch Risiken mit, auch wenn es bei Metformin sehr geringe Risiken sind, aber die sind da und da stimmt das Verhältnis nicht.
Also nein, nicht geben. Und jetzt kommen wir zu Punkt 3. Warum empfehlen dann manche Ärzte durchaus Metformin bei Prädiabetes? Warum empfehlen Ärzte Metformin bei Prädiabetes doch immer wieder? Das sind keine dummen Ärztinnen und Ärzte.: Die wissen das, die kennen die Leitlinien. Die haben aber jetzt auch diesen einzelnen Menschen vor sich. Und auch da ist es halt so, es kommt drauf an. Es gibt so verschiedene Menschen. Wenn man als Arzt jetzt einen Menschen vor sich hat, der ein unglaublich hohes Risikoprofil mit sich bringt, Der vielleicht schon einen Herzinfarkt hatte, der schwere Gefäßerkrankungen hat, der einen Bluthochdruck hat, einen Raucher, jemand mit Übergewicht also jemand, der viele, viele Risikofaktoren hat, nicht allzu alt zu werden oder schwere Erkrankungen zu kriegen.
Dann werde ich eher früher als später versuchen, Stoffwechselkomplikationen zu verhindern. Dann liegt die Idee näher, dass man das Metformin doch gibt. Dazu kommt dann auch noch der Wunsch mancher Patienten und es gibt auch Menschen, denen ein: Medikament vielleicht ein bisschen damit hilft, auch eine Lebensumstellung anzugehen, wirklich sich gesünder zu ernähren, ein bisschen mehr zu bewegen, weil das Medikament dem Ganzen vielleicht so eine gewisse Ernsthaftigkeit gibt. Aber natürlich sind wir da in einem sehr psychologischen Bereich. Ärztinnen und Ärzte sind trainiert, diese Dinge blitzschnell im Kopf durchzugehen und abzuwägen, wenn wir zum Beispiel einen Laborbefund mit einem Patienten, einer Patientin besprechen. Das ist unser Job. Unser Job ist es nicht, wer interessiert darf, irgendwelchen Leitlinien zu folgen.
Unser Job ist es, die Leitlinien zu kennen. Und manchmal in Ausnahmesituationen uns auch dagegen zu entscheiden. Dann müssen wir es aber gut begründen können. Dann müssen wir wirklich gute Gründe haben und eventuell sowas auch: einmal im Detail mit den Menschen besprechen. Für mich schaut es im Moment so aus, dass dieser Prädiabetes zu sehr wie eine Krankheit behandelt wird. Vor allem auch in den Medien. Vielleicht auch um Klicks zu bekommen. Allzu oft wird mit diesen Artikeln oder Fernsehsendungen Angst verbreitet und das ist etwas, was ich wirklich hasse, das ich überhaupt nicht mag. Mein Fazit aus dem Ganzen ist es und auch als Beantwortung der Frage, die ich da gestellt bekommen habe, soll man bei Prädiabetes schon ein Medikament nehmen?
Meine Antwort ist in den allermeisten Fällen nein. Soll man Die Diagnose Prädiabetes als Warnung auffassen? Ja. Soll man es zum Anlass nehmen, sich um ein bisschen gesünderes Essen zu bemühen? Mehr Gemüse, mehr: Vitamine, mehr Ballaststoffe? Absolut ja. Soll man diese Warnung dazu hernehmen, sich zu bemühen mehr Stunden zu schlafen? Den Schlaf in Ordnung zu bringen? Absolut ja. Soll man die Diagnose Prädiabetes als Warnung nehmen und als Aufforderung ein bisschen mit Bewegung zu beginnen, wenn man sich kaum bewegt? Zehn Minuten spazieren gehen, fünf Mal die Woche als Anfang oder irgendetwas Einfaches? Absolut ja! Soll man sich einen fürchterlichen Stress machen, wenn man das alles zusammen nicht schafft?
Na bloß nicht! Wenn Sie in der Situation stecken Besprechen Sie es mit einem Arzt, mit einer Ärztin die sich gut auskennt, die gut ins Thema eingelesen ist, wie wir sagen, der also die Wissenschaft im Kopf hat, der oder die sich hoffentlich genug Zeit nimmt für Sie und mit Ihnen entscheidet. Und ganz egal, ob Sie das Medikament nun: bekommen oder nicht, Versuchen Sie selber auch ein bisschen Ihre Drüse zu unterstützen, die Ihnen jetzt die ersten Signale schickt dass Sie es nicht ganz so leicht hat. Picken Sie sich eine kleine Maßnahme raus. Nehmen Sie sich zum Beispiel vor, ab jetzt zwei bis drei Mal häufiger in der Woche einen Salat oder Gemüse zu essen. Nehmen Sie sich vor, damit zu beginnen, fünfmal die Woche zehn Minuten spazieren zu gehen, wenn Sie so gut wie keine Bewegung machen. Oder nehmen Sie sich vor, wieder mit einem Sport zu beginnen, der Ihnen immer Spaß gemacht hat.
Vielleicht in eine Basketball- oder Federballstunde einmal die Woche in irgendeinem Sportverein zu gehen. Irgendwas was Ihnen Freude macht und was Ihnen vielleicht auch noch hilft, ein bisschen den Stress zu reduzieren Oder nehmen Sie sich vor, nicht mehr allzu lang aufs Handy zu: schauen, bevor Sie das Licht ausdrehen im Bett. Versuchen Sie, das Handy aus dem Schlafzimmer draußen zu halten, um ein bisschen regelmäßiger, ein bisschen besser zu schlafen. Alles das sind sinnvolle Maßnahmen. Suchen Sie sich aus, was für Sie passt. Aber noch einmal, die Diagnose Prädiabetes ist ein Wink mit dem Zaunfall, ist eine kleine Warnung Aber es ist bitte keine katastrophale Diagnose. Ich hoffe, ich habe Ihnen ein bisschen Mut gemacht. Und ich verabschiede mich, auch wenn Sie gar keinen Diabetes haben, von Ihnen mit dem alten Gruß der Zuckertante. Die Zuckertante grüßt und wünscht allzeit gute Werte.